Was ist das Aufschubleben-Syndrom: Warum warten wir auf den besseren Moment, statt im Jetzt zu leben?

Was ist das Aufschubleben-Syndrom: Warum warten wir auf den besseren Moment, statt im Jetzt zu leben?

Wir alle denken manchmal: „Wenn ich abnehme, einen neuen Job finde oder eine Wohnung kaufe – dann beginnt mein echtes Leben.“ Doch oft kommt dieses „Dann“ nie. Wir verschieben Träume, Gefühle und sogar Freude auf bessere Zeiten. Wie die Redaktion von Home For You berichtet, nennt sich dieser Zustand Aufschubleben-Syndrom. Es stiehlt uns leise die Jahre, weil wir auf die Zukunft statt im Jetzt leben. In diesem Artikel erklären wir, was das Syndrom ist, wie man es erkennt und was man dagegen tun kann.

Was ist das Aufschubleben-Syndrom – einfach erklärt

Das Aufschubleben-Syndrom ist ein psychischer Zustand, bei dem eine Person ihr Leben ständig auf später verschiebt. Sie glaubt, dass „jetzt nicht der richtige Moment“ sei und das wahre Leben erst nach einem bestimmten Ziel beginnt – dem Abschluss des Studiums, einer finanziellen Verbesserung, einem Umzug oder sogar dem Ende des Krieges. Alles dreht sich um das Warten auf ideale Umstände.

Oft tarnt sich dieses Syndrom als Selbstoptimierung. Die Person glaubt, das Richtige zu tun: sparen, aufschieben, planen. Doch dahinter steckt Angst, jetzt zu leben – mit allen Risiken, Fehlern und Unwägbarkeiten.

Aufschubleben betrifft nicht nur große Ziele

Manchmal geht es nicht um große Lebensziele, sondern um Kleinigkeiten: „Ich fange am Montag mit dem Malen an“, „Ich gehe auf ein Date, wenn ich abgenommen habe“, „Ich ziehe um, wenn es ruhiger wird“. So verschiebt sich die Freude am Leben immer weiter nach hinten.

Hauptgründe für das Aufschubleben-Syndrom

Um zu verstehen, warum wir unser Leben auf später verschieben, muss man die Ursachen kennen. Oft liegen sie tiefer, als es scheint.

  1. Angst vor dem Scheitern. Die Person hat Angst, dass etwas schiefgehen könnte, wenn sie wirklich lebt.
  2. Gesellschaftliche Normen. „Erst Karriere, dann Familie“, „Lebe für deine Kinder“ – solche Aussagen prägen unser Denken.
  3. Perfektionismus. Das Warten auf den perfekten Moment lähmt jede Handlung.
  4. Niedriges Selbstwertgefühl. Die Person glaubt, jetzt kein Glück zu verdienen.
  5. Psychische Erschöpfung. Bei chronischem Stress empfindet das Gehirn die Gegenwart nicht als sicher.

Kindheitserfahrungen und Erziehung

Oft liegen die Wurzeln in der Kindheit. Wenn einem Kind gesagt wurde: „Warte, jetzt geht es nicht“, oder es lernen musste, sich Erholung zu verdienen, wächst es mit dem Glauben auf, dass das Leben ein ständiger Kampf ist – mit kleinen Momenten des Glücks.

Wie erkennt man das Syndrom bei sich selbst?

Dieses Syndrom ist tückisch. Man bemerkt oft nicht, dass man in Erwartung lebt. Doch es gibt einige Warnsignale.

Die häufigsten Anzeichen:

  • Ständiges Planen einer perfekten Zukunft ohne Handeln im Jetzt
  • Verzicht auf Freude „für bessere Zeiten“
  • Glaube, dass Glück nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist
  • Gefühl, das Leben laufe an einem vorbei
  • Unzufriedenheit trotz objektiv guter Umstände

Test: Haben Sie das Aufschubleben-Syndrom?

  • Sagen Sie oft „später“, „irgendwann“, „jetzt nicht“?
  • Verschieben Sie Wünsche aus Angst vor Fehlern?
  • Glauben Sie, dass Ihr Leben nach einem bestimmten Ereignis besser wird?
  • Fühlen Sie sich schuldig, wenn Sie sich einfach ausruhen?

Wenn Sie mehrere Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, lohnt es sich, innezuhalten.

Folgen des Aufschubleben-Syndroms

Auf den ersten Blick scheint nichts Dramatisches zu passieren. Doch mit der Zeit verändert das Syndrom das Selbstbild und das Gefühl von Lebenssinn und Zufriedenheit.

Was passieren kann:

  • Verlust der inneren Motivation
  • Gefühl ständiger Unzufriedenheit
  • Emotionaler Burnout
  • Entscheidungsschwierigkeiten
  • Verschlechterung der Beziehungen zu nahestehenden Personen

Ein Leben, das ständig aufgeschoben wird, vergeht irgendwann – und man merkt, dass man es nie richtig gelebt hat.

Wie überwindet man das Aufschubleben?

Die Erkenntnis ist der erste Schritt. Zu verstehen, dass wir unser Leben auf später verschieben, hilft, uns selbst besser zu sehen. Es ist, als würde man aus einem langen Schlaf erwachen und feststellen, dass die wichtigsten Dinge unbemerkt vorüberziehen. Erst wenn wir anerkennen, dass wir selbst auf den „perfekten Moment“ warten, können wir beginnen, etwas zu verändern. Es beginnt mit Gedanken und Gewohnheiten – langsam, aber notwendig, um ins Jetzt zurückzukehren.

Wirksame Strategien:

  1. Kleine Schritte. Machen Sie heute etwas Schönes: ein Spaziergang, ein Gespräch, ein neues Hobby.
  2. Achtsamkeit üben. Lernen Sie, den Moment bewusst wahrzunehmen und zu genießen.
  3. Dankbarkeitstagebuch. Schreiben Sie täglich drei Dinge auf, für die Sie dankbar sind.
  4. Perfektionismus begrenzen. Beginnen Sie Dinge nicht im „perfekten“, sondern im „realen“ Moment.
  5. Therapie in Erwägung ziehen. Wenn die Ursachen tief liegen – suchen Sie professionelle Hilfe.

Außerdem wichtig:

  • Die eigene Vorstellung von Glück hinterfragen
  • Konkret benennen, was Sie aufschieben
  • Eine Liste schreiben mit Dingen, die Sie jetzt tun möchten

Syndrom & Gesellschaft: kollektives Aufschieben

Interessanterweise ist das Aufschubleben-Syndrom nicht nur ein individuelles Phänomen. In Krisenzeiten wie Krieg oder Pandemie verschiebt die Gesellschaft kollektiv Emotionen, Freude und Träume.

Wir leben dann im Überlebensmodus. Alle Ressourcen fließen in das Nötigste. Doch das heißt nicht, dass wir Glück vergessen sollen. Im Gegenteil – in unsicheren Zeiten ist die Freude am Moment besonders wichtig.

Jetzt zu leben ist kein Egoismus, sondern Kraftquelle

Freude im Heute ist eine Ressource, die uns durch schwere Zeiten trägt. Das Leben muss nicht warten – es passiert jetzt. Und selbst in den schwierigsten Zeiten gibt es Raum für Nähe, Wärme und Träume.

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